Veröffentlicht am: 30.03.21

Interview | Im Gespräch mit Medienpädagogin Dörte Stahl über den ersten Online-Orientierungsparcours im Projekt „Kultur trifft Digital“

Hand tippt auf Tablet

Da Präsenztreffen derzeit wieder nur eingeschränkt möglich sind, hat unsere Medienpädagogin Dörte Stahl zusammen mit dem Kommunalen Bildungsbüro, dem MaBuKa Mädchentreff, dem Jugendhaus Rheindorf und dem Haus der Jugend aus Leverkusen im Februar das erste Mal einen rein digitalen Orientierungsparcours durchgeführt. Im Interview spricht sie von ihren Erfahrungen, Herausforderungen und Gelingensfaktoren und warum es wichtig ist, gerade in Zeiten von Corona, kreative Angebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen.

Wie ist dein erster Online-Orientierungsparcours abgelaufen?

Teilgenommen haben acht Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Wir haben Tablets und das Konferenztool Zoom genutzt, womit alle gut zurechtgekommen sind. Da sich die Mädchen untereinander bereits kannten, haben wir nur eine kleine Vorstellungsrunde bzw. ein Aufwärmspiel gemacht, bei dem es um ihre Vorkenntnisse und Erfahrungen mit digitalen Medien ging. Für die vier Stationen des Orientierungsparcours haben wir Padlet genutzt. Ich habe für jede Station kleine Anleitungen vorbereitet und eine kurze Einführung gegeben und dann durften die Mädchen selbst loslegen und ausprobieren. Pro Station haben wir ca. 30 bis 45 Minuten gebraucht und nach jeder Station gab es eine kleine Pause.

Los ging es mit dem Digitalen Sound. Mit dem Sound Maker von Chrome Musik Lab, der einfach zu bedienen ist, haben wir eigene Songs komponiert. Die Ergebnisse haben wir gemeinsam angehört und die Teilnehmerinnen durften sagen, welche Songs ihnen besonders gut gefallen haben. Es sind wirklich tolle Ergebnisse herausgekommen. Weiter ging es mit der Digitalen Sprache, bei der die Mädchen mit Scratch programmieren durften. Das hat nicht auf Anhieb bei allen geklappt, aber am Ende haben es doch alle geschafft. An dieser Station braucht es oft individuelle Hilfestellungen und Betreuung, was bei einem digitalen Format schwierig ist. Nach der Mittagspause widmeten wir uns der Digitalen Technik. Hier haben wir mit LEDs Leuchtkarten gebastelt. Es ging nicht nur darum, die Karte zum Leuchten zu bringen, sondern eine schöne Karte zu gestalten. Die Mädchen hatten großen Spaß und es sind richtige Kunstwerke entstanden, die sie dann stolz in die Kamera gehalten haben. Bei der Digitalen Realität haben wir uns mit der App Draw Your Game und mit Stop Motion beschäftigt. Ziel war es, einen unbeweglichen Gegenstand in Bewegung zu bringen. Hier waren die Vorkenntnisse sehr unterschiedlich, aber alle haben etwas hinbekommen und im Anschluss von ihren Erfolgen berichtet.

Bei der gemeinsamen Abschlussrunde haben die Mädchen sehr gutes und differenziertes Feedback gegeben. Es hat allen viel Spaß gemacht. Die schönste Rückmeldung, die von einigen Teilnehmerinnen kam, war: „Endlich mal was Anderes online, nicht nur Schule.“ Genau das wollte ich erreichen. Auch wenn es ein erster Versuch war und man sicherlich noch einiges verbessern kann, war es für alle ein guter Tag - was will man mehr.

Welche Herausforderungen gab es?

Eine Herausforderung war, dass die Teilnehmerinnen ihre Kameras nicht fortlaufend angelassen haben und den Raum immer wieder verlassen und neu betreten haben, wenn es ans Basteln und Ausprobieren ging. Das hat die Kommunikation erschwert. Ich habe niemanden gezwungen, aber immer wieder darum gebeten, die Kameras kurz einzuschalten, wenn wir uns gemeinsam im Raum befanden. Das hat im Laufe des Tages immer besser funktioniert. Das hat viel mit Vertrauen zu tun - und Vertrauen braucht Zeit, um sich aufzubauen - das ist online durch die Distanz noch schwerer. Ich habe immer eine Uhrzeit festgelegt, wann wir uns wieder im Raum treffen. Das hat gut geklappt, es sind alle immer wieder gekommen. Dass die Teilnehmerinnen sich untereinander kannten, hat sicherlich dazu beigetragen, dass alle dabeigeblieben sind.

Welche Gelingensfaktoren gibt es für die Durchführung eines rein digitalen Orientierungsparcours?

Ein Gelingensfaktor ist das Alter. Das Format eignet sich erst ab 12 Jahren. Zu Beginn war noch ein achtjähriges Mädchen dabei, das trotz Unterstützung von der Familie schnell ausgestiegen ist. Für Grundschulkinder ist es schwierig, mit der Distanz zurechtzukommen. Video, Ton und Personeninteraktion zusammenzubringen, muss geübt werden. Es ist auf jeden Fall von Vorteil, wenn die Gruppe sich bereits kennt. Das erzeugt eine vertrautere, angenehme Atmosphäre und stärkt das Gruppengefühl.

Ein Hauptgelingensfaktor ist definitiv, nicht ergebnisorientiert zu arbeiten. Es ist völlig ok, wenn etwas nicht funktioniert. Mein Motto für den Orientierungsparcours war: So wenig Frust wie möglich erzeugen. Der Fokus sollte nicht auf den Ergebnissen, sondern auf dem Prozess des Ausprobierens liegen. Die Mädchen mussten zum Beispiel nicht ihre Ergebnisse zeigen, wenn sie es nicht wollten. Dieses Vorgehen schafft auch Vertrauen. Es war schön für die Teilnehmerinnen zu wissen, dass sie teilnehmen können, ohne am Ende ein perfektes Ergebnis präsentieren zu müssen. Allgemein ist es wichtig, dass die Teilnehmerinnen mitentscheiden dürfen. Ein Mädchen hat z.B. bei einem Themengebiet nicht mitgemacht und das war völlig in Ordnung. Niemand wird zu irgendetwas verpflichtet. Das nimmt den Druck raus. Alles kann, nichts muss.

Der Abwechslungsreichtum unseres Orientierungsparcours trägt zusätzlich zum Gelingen eines solchen Formats bei. Mit den vier Stationen wird es nicht langweilig - das ist an diesem speziellen Einstiegsformat wirklich gut. Und natürlich braucht es die Unterstützung durch die lokalen Bündnispartner. Das war in Leverkusen großartig. Sie sind morgens zu den Mädchen gefahren, haben Tablets und Lunchpakete ausgeliefert und haben die Geräte nachmittags auch wieder eingesammelt.

Warum ist es wichtig, gerade in Zeiten von Corona, solche Angebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen? Welchen Rat würdest du Einrichtungen geben?

Diese Frage haben die Teilnehmerinnen selbst am besten beantwortet: „Endlich mal was Anderes online machen, endlich mal was Kreatives machen“. Wir können mithilfe digitaler Medien enorm kreativ sein, aber die ganze kreative, freie Arbeit fällt im Moment komplett weg. Nicht nur das Beisammensein mit Freund*innen fehlt, sondern all die kreativen Möglichkeiten, sich zu entfalten, sich selbst mit seiner ganzen Persönlichkeit auszudrücken. Unser Projekt gibt den Jugendlichen so viel und kann ihnen diese Zeit erleichtern. Kinder und Jugendliche brauchen Erfahrungsräume, in denen sie erleben, wie man kreativ, aktiv mit digitalen Medien jeder Couleur umgehen kann, davon bin ich fest von überzeugt. Deswegen kann ich alle Einrichtungen nur dazu ermutigen und motivieren, das auszuprobieren.

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Dörte Stahl begleitet das Projekt „Kultur trifft Digital“ von Anfang an. Sie ist seit vielen Jahren als freiberufliche Medienpädagogin tätig und führt besonders gerne Projekte durch, die Kinder und Jugendliche zum aktiven Arbeiten mit digitalen Medien anregen. Dies können beispielsweise Projekte zur digitalen Kommunikation oder sozialraumorientierte Projekte sein. Wichtig ist ihr, dass die Teilnehmenden kreativ und mit Freude digitale Medien auch über ein Projekt hinaus nutzen lernen.

Dass der Online-Orientierungsparcours ein voller Erfolg war, bestätigten übrigens auch die lokalen Bündnispartner. Mirjam Wandhoff vom Kommunalen Bildungsbüro Leverkusen berichtete: „Auch wenn es ein langer Tag war, hat es ganz fantastisch geklappt. Es war trotz der räumlichen Distanz eine tolle, lebendige Atmosphäre, die die Mädchen in ihren Bann gezogen hat. Am Ende ist die Gruppe richtig zusammengewachsen.




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